Im Folgenden finden Sie eine kurze einführende Darstellung der Grundzüge des Sozialgerichtsverfahrens, wobei auch häufig verwendete Fachbegriffe wie Sozialgericht, Landessozialgericht, Bundessozialgericht, Bundesverfassungsgericht, Instanz, Vorinstanz, Klage-, Berufungs-, Revisions- und Beschwerdeverfahren, einstweiliger Rechtschutz und Hauptsacheverfahren erläutert werden.
In der Datenbank finden Sie drei abgekürzte Bezeichnungen für die Sozialgerichte: SG=Sozialgericht, LSG=Landessozialgericht und BSG=Bundessozialgericht. Diese Gerichte stehen auf den aufbauenden Stufen des Sozialgerichtsverfahrens, den sogenannten Instanzen; sie werden deshalb auch als Instanzgerichte bezeichnet. Jedes Bundesland kann nur ein Landessozialgericht einrichten. Mehrere Länder können sich aber auch ein gemeinsames Landessozialgericht teilen (z. B. LSG Niedersachsen-Bremen). Die letzte Instanz der Sozialgerichtsbarkeit ist das Bundessozialgericht in Kassel als höchstes Bundesgericht. Mit dem instanzgerichtlichen Aufbau soll der im Prozess unterlegenen Partei die Möglichkeit gegeben werden, ein aus ihrer Sicht fehlerhaftes Urteil nicht einfach in der Welt stehen zu lassen. Jedoch sind an die Anrufung der nächsthöheren Instanz bestimmte einschränkende Bedingungen geknüpft.
Das Verfahren beginnt in der ersten Instanz vor einem Sozialgericht. Die unterlegende Partei kann die Entscheidung des Sozialgerichts unter bestimmten Voraussetzungen durch die nächsthöhere Instanz, das Landessozialgericht, überprüfen lassen. Dazu muss das Rechtsmittel der Berufung zum Landessozialgericht eingelegt werden. Diese ist (u. a.) überhaupt nur dann zulässig, wenn der zugrunde liegende Streitwert einen Betrag von Euro 750,- überschreitet oder wenn das Sozialgericht die Berufung – beispielsweise wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer Angelegenheit – ausdrücklich zulässt.
Die Entscheidung des Landessozialgerichts kann die unterlegene Partei unter bestimmten, sehr engen Voraussetzungen durch das Bundessozialgericht im Wege der Revision überprüfen lassen. Die Revision ist allerdings nur dann möglich, wenn sie vom Landesozialgericht zugelassen worden ist. Dabei schreibt das Gesetz einen abschließenden Katalog von lediglich drei Zulassungsgründen vor: wenn die Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung ist, wenn das zugrunde liegende Urteil des Landesozialgerichts von der Rechtsprechung eines obersten Gerichts abweicht oder wenn das Urteil auf einem Verfahrensmangel beruht. Eine weitere Besonderheit der Revision liegt darin, dass hier nicht mehr über die dem Verfahren zugrunde liegenden Tatsachen verhandelt wird. Es werden also keine Beweise erhoben. Insofern werden die Entscheidungen der Vorinstanz übernommen. Gegenstand der Revision ist allein die rechtliche Bewertung des festgestellten Tatbestandes oder die Überprüfung auf Verfahrensfehler.
In der Urteilsübersicht ist jeweils die letzte zugängliche Entscheidung eines Verfahrens aufgeführt. Sollte dieser eine Entscheidung des Sozialgerichts oder des Landessozialgerichts vorausgehen, sind solche unter „Verfahrensgang“ aufgeführt.
Neben den sozialgerichtlichen Entscheidungen finden Sie in der Datenbank auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Faktisch stehen Verfassungsbeschwerden hier immer am Ende eines für den Beschwerdeführer negativ ausgegangenen Sozialgerichtsverfahrens. Es handelt sich bei der Verfassungsbeschwerde jedoch nicht um die Anrufung einer letzten, also einer Superrevisionsinstanz, sondern um einen eigenen Rechtsbehelf, der außerhalb des sogenannten instanzgerichtlichen Verfahren steht.Die Verfassungsbeschwerde setzt für ihre Zulässigkeit die mögliche Verletzung des Beschwerdeführers in einem seiner Grundrechte voraus. Im Rahmen der hier vorliegenden „Nikolaus-Verfahren“ ist dabei regelmäßig das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen. Diese Möglichkeit der Grundrechtsverletzung muss sich aus einem Akt der öffentlichen Gewalt ergeben, in den vorliegenden Fällen aus dem Urteil der Instanzgerichte resultieren. Gleichzeitig muss vor einer Verfassungsbeschwerde auch der Rechtsweg erschöpft sein, das heißt alle möglichen Instanzgerichte müssen angerufen worden sein. Vor dem BVerfG kann nicht die tatsächliche Bewertung des Instanzgerichts überprüft werden, sondern nur, ob durch dieses Urteil Grundrechte verletzt worden sind. Das ist der Fall, wenn das erkennende Instanzgericht im konkreten Sachverhalt Grundrechte übersehen oder falsch angewendet hat, oder wenn die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte verkannt worden ist. Ist dies der Fall, so wird das letztinstanzliche Urteil aufgehoben und unter Beachtung der rechtlichen Bewertungen des Bundesverfassungsgerichts muss ein neues Urteil gesprochen werden.
Bevor ein Urteil nach Ausschöpfung aller Instanzen rechtskräftig wird, vergehen regelmäßig mehrere Jahre. Ein versicherter Patient, der auf die Leistung einer medizinischen Maßnahme klagt, benötigt diese aber regelmäßig umgehend, wenn schlimmstenfalls Lebensgefahr droht. In diesem Fall hat der Kläger die Möglichkeit, neben seiner Klage in der Hauptsache (sogenanntes Hauptsacheverfahren) einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtschutz bei demjenigen Gericht, bei dem er seine Klage verfolgt, zu stellen. Das Verfahren im einstweiligen Rechtschutz (ER-Verfahren) ist ein besonderer Rechtsbehelf, mit dem der Betroffene (u. a.) die vorläufige Regelung eines Zustandes unabhängig vom Hauptsacheverfahren erwirken kann. Wenn ein Patient beispielsweise ein bestimmtes Arzneimittel benötigt, welches die Krankenkasse nicht zu leisten bereit ist, kann der Patient mit dem ER-Verfahren erreichen, dass die Krankenkasse zur Leistung des begehrten Arzneimittels vorläufig, nämlich bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, verpflichtet wird.
Dem ER-Verfahren liegt ein wesentlich anderer Maßstab als einem Hauptsacheverfahren zugrunde. Im Hauptsacheverfahren hat der Kläger nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn es ihm gelingt, alle drei Voraussetzungen des Nikolausbeschlusses (hinreichender Schweregrad, Alternativlosigkeit, Erfolgsaussicht) zur Überzeugung des Gerichts zu beweisen. Im ER hingegen muss das Vorliegen dieser Voraussetzungen lediglich glaubhaft gemacht, also nicht gänzlich bewiesen werden. Dabei sind die Anforderungen an die Glaubhaftmachung umso geringer, je schwerer die Folgen der Versagung des ER für den Antragsteller wiegen. Wenn also beispielsweise die Versagung eines Arzneimittels für den Betroffenen Lebensgefahr oder die Gefahr schwerer und unumkehrbarer Gesundheitsschäden bedeutet, sind die Anforderungen an die Glaubhaftmachung im ER-Verfahren vergleichsweise gering.
Sollten die Voraussetzungen gar nicht beweisbar sein, nimmt das Gericht eine reine Folgenabwägung vor. Wenn also beispielsweise die Versagung eines Arzneimittels für den Betroffenen Lebensfahr oder die Gefahr schwerer und unumkehrbarer Gesundheitsschäden bedeutet, ist dies im Lichte der herausgehobenen Stellung der Grundrechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit regelmäßig schwerwiegender als der finanzielle Aufwand des Leistungsträgers zu bewerten.
Im Hinblick auf die grundlegend unterschiedlichen Entscheidungsmaßstäbe können aus dem ER-Verfahren regelmäßig noch keine gültigen Schlussfolgerungen für den Ausgang des Hauptsacheverfahrens gezogen werden. Daher sind die Entscheidungen, denen ein Verfahren im einstweiligen Rechtschutz zugrunde liegt, in der Datenbank nach dem Ergebnistyp mit dem Zusatz „ER“ gekennzeichnet.